„Das Jahr 2020 bietet in vielfacher Hinsicht Anlass zur Überprüfung getroffener Entscheidungen. Aktuell gilt das vor allem für Folgen und Nebenwirkungen der Pandemie. Das gilt aber auch für Folgen und Nebenwirkungen der laufenden neunten Vertiefung der Elbe, die sich offenbar anders entwickeln als prognostiziert“, das schreibt Stefan Wenzel, Bundestagskandidat der Grünen im Wahlkreis Cuxhaven-Stade 2 an Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.
„Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an Ihren Parteifreund, den vormaligen Ministerpräsidenten David McAllister, der seinerzeit mit Fackeln auf dem Deich gegen die beantragte Elbvertiefung protestierte und an die Otterndorfer Erklärung, die er zusammen mit anderen unterschrieben hat“, so Stefan Wenzel.
Die Schlickmengen hätten offenbar deutlich stärker zugenommen als erwartet. Offensichtlich habe bislang weder das Bundesverkehrsministerium noch die Hamburg Port Authority ein Konzept zum Umgang mit diesen Schlickmengen, so die Vermutung Wenzels in dem Brief an Ferlemann. Stefan Wenzel sieht die große Gefahr, dass die Verbringung großer Mengen an den Rand des Nationalparks und Weltnaturerbes Wattenmeer bei Scharhörn nicht nur eine weltweit als einzigartig anerkannte Naturlandschaft in ihrer Substanz gefährden würden, sondern auch die touristischen Stärken der Städte und Gemeinden an der Unterelbe. Zudem behindere die Verschlickung die Fährhäfen und die Funktionsfähigkeit der Sieltore. In seinem Brief merkt Stefan Wenzel an, dass auch das Tideelbeforum keine überzeugenden Konzepte für den Umgang mit wachsenden Schlickmengen vorlegen kann.
„Mittlerweile ist durch neue Untersuchungen deutlich geworden, dass Deiche an der Unterelbe Unterbestick aufweisen und eine langfristige Stärkung der Bauwerke unabdingbar ist“, betont Wenzel. Er sieht immense Folgekosten, zudem bislang nicht absehbar sei, wo entsprechend notwendige Kleimengen gewonnen werden könnten. Als besorgniserregend sieht er zudem die Entwicklung beim Meeresspiegelanstieg. „Trotz Abschluss des Klimaabkommens von Paris vor fünf Jahren zeichnet sich bis heute eine Beschleunigung des Meeresspiegelanstieges ab. Die Bandbreiten der Prognosen drohen eher am oberen Rand der Prognosen und zudem früher als erwartet einzutreffen“ mahnt Stefan Wenzel.
Die Entwicklung der Stintfischerei sei „ein weiteres Symptom, das ernste Besorgnis erregt und einen traditionsreichen Berufszweig bedroht“. Die Entwicklung erinnert an die Ems, so Wenzel, die sei im Sommer oft monatelang als tot anzusehen, „weil Bereiche mit sehr niedrigem Sauerstoffgehalt und feinem Schlick Überhand nehmen“.
Stefan Wenzel weiter: „Die laufenden Arbeiten an der Elbe zerstören ganz offensichtlich den Fluss und gefährden die Sicherheit der BewohnerInnen im Cuxland. 2021 muss das Jahr der umweltpolitischen Fehlerkorrektur werden. Alle, denen der Naturschutz und die Deichsicherheit ein Herzensanliegen sind, wollen, dass die Elbvertiefung rückgängig gemacht wird.“
Stefan Wenzel drückt gegenüber Ernak Ferlemann in dem Schreiben seine Erwartung aus, dass „aus den bereits jetzt erkennbaren besorgniserregenden Abweichungen von den Erwartungen der Planer ernsthafte Konsequenzen gezogen werden. Das weitere Ausbaggern zur Umsetzung der laufenden Vertiefung muss unterbleiben, um weitreichende Folgen für Deichsicherheit, Natur und Tourismus an der Unterelbe zu vermeiden“. Für den Grünen ist ein Rückbau und eine durchgreifende Kooperation der Häfen in der Deutschen Bucht notwendig. „Davor können weder Sie als regionaler Abgeordneter und parlamentarischer Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums noch das Bundesverkehrsministerium als verantwortliches Ressort der Bundesregierung die Augen verschliessen“, so Stefan Wenzel abschließend in seinem Brief.